Maibericht 2009
Nach dem erfolgreichen Abend
auf dem Karmel, zusammen mit der ATG (siehe Aprilbericht),
war unsere nächste Aufführung im Bustan al-Khayat, einfach gesagt: den Berg hinunter, im Süden
von Haifa, gegenüber des großen Friedhofes. Der Bustan
ist der letzte Teil des Wadi Siach,
ein paradiesischer Obstgarten, den ein reicher Bürger von Haifa, Aziz al-Khayat, 1910 anlegte.
Während des britischen Mandats war der Ort, mitsamt seinem Schwimmbecken,
einer der beliebtesten Urlaubsziele in der Umgebung. Aber nach 1948 verkommte der Ort allmählich. Heute gehört er der
Stadt Haifa, aber diese pflegt dieses kleine Paradies nicht nur nicht, sondern
bekämpft auch aktiv die Einzelnen, unter ihnen Eyal
Friedländer, die den Garten bestellen und bearbeiten.
Hila aus der Kommune 2005-2006 berichtete kurz
über eine erste Aufführung dort vor zwei Jahren (http://www.mideastweb.org/nemashim/quartalsbericht-2006.htm
), und Hila
ist auch Teil der neuen Gruppe, die ja zum
großen Teil aus ehemaligen NEMASHIMs besteht,
und mit der wir an diesem Festival auftraten. Auch diesmal, wie vor zwei
Jahren, war das hauptsächliche Ziel die Weckung des Bewusstseins, damit
von unten Stimmen laut werden, die dann die Stadt zwingen, sich mit dieser
Perle zu befassen.
Ein ausführlicher
Bericht über das kleine Festival, in arabisch, aber mit Video und vielen
Photos, hier:
http://www.panet.co.il/online/articles/1/2/S-202590,1,2.html
ein anderes video hier: http://www.youtube.com/watch?v=GiQ0o9io1og
und noch eins hier: http://www.youtube.com/watch?v=vNP7QRWodNA
(die
hebräische Presse würdigte dem Ereignis kein Wort.)
Im Rahmen dieses Festivals
also führten wir den "Untermieter" auf. Ich habe wieder gejokert, Renana ist gerade auf
dem Weg zwischen ihrem Studium in der Brandeis-Universität in Amerika und
einem Kurs bei ATG in Halle, mit der wir letzten Monat auf der Bühne
waren, und so gab ich ihr die Gelegenheit, die Maya zu spielen. Auf dem Karmel, vor einem Monat, kam die arabische Mayss auf die Bühne, um die jüdische Maya
darzustellen, hier kam der jüdische Ya'akov auf
die Bühne, um den arabischen Mohammad darzustellen, dessen Identität
gespaltet und verwirrt ist. Jedes Mal wenn ich Forumtheater mache, bin ich
erstaunt über den Mut der Leute im Publikum, sofort auf die Bühne zu
kommen. Viele glauben, das Publikum wage sich nicht, aber offenbar haben es
immer mehr satt, dass man ihnen traurige oder lustige Geschichten vorspielt, in
die sie nicht eingreifen können.
Zum Schluss erlebte der Bustan die hebräische Erstaufführung der "Sieben jüdische Kinder"
von Caryl Churchill. Ich habe den Text übersetzt
und schnell mit unserer kleinen Gruppe inszeniert. In Deutschland war die
Erstaufführung in Magdeburg im April.
Hier eine Rezension des
Textes im deutsch Radio von Matthias Thibaut:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/916387/
"Juden werden sich
wehren gegen diese Darstellung ihrer Geschichte als einer Verhärtung, in
der sie von Opfern zu Tätern, von Verfolgten zu Verfolgern, von Gehassten
zu Hassern werden." So sagt er, und tatsächlich, im Medienspiegel
der deutschen Botschaft (vom 24.2.09, Seite 5) zerreißt Jehoshua Sobol das Stück, und das ist ja schon
ziemlich erstaunlich, denn genau solches, was er da "antisemitisch"
und "Dreck" nennt, hat er selber so gut in den Achtziger Jahren
beschrieben, in seinen Stücken "Palästinenserin",
"Ghetto", "Die letzte Nacht des Otto Weininger"
usw. Ich habe Sobol 1992 kennengelernt, er war
beeindruckt von mir, und mir war es eine Ehre, ich verehrte ihn sowieso, und es
ist traurig, was aus seinen Ansichten geworden ist, ähnlich wie Broder,
wie Oriana Fallaci oder
Wolf Biermann. Ich nehme an, auch Biermann vergeudet seine Zeit und sein
immenses Talent mittlerweile damit, dass er Antisemiten in jedem Zimmerwinkel
in Altona und anderswo sucht. Dazu sollte vielleicht noch erläutert
werden, dass die Deutsche Botschaft Sobols Artikel aus dem merkwürdigen
Blatt "Israel Hayom" übersetzt hat.
Diese Zeitung steht dem Likud nahe und wird seit Monaten gratis in den
Bahnhöfen, an den Kreuzungen usw. verteilt. Regelmäßig schreibt
dort Sobol seine Artikel gegen die Ideen, die er damals vertrat, bis er
endgültig im letzten Libanonkrieg (Sommer 2006) das Ruder scharf nachts
rechts riss.
Unsre Erstaufführung kam
jedenfalls gut an und war ein gelungener Schlussakkord für unsere
Aufführung.
Danach ergötzten wir uns
im Schwimmbecken und an all den andern Attraktionen an diesem Tag
Aziz al-Khayat verliess Haifa, zusammen mit dem Grossteil der Familie, im
Jahre 1948, und so ist der Bustan al-Hayat
einer der Orte, die an die Nakba erinnern, und es ist
klar, dass die Stadt Haifa unter anderem darum alles verhindert, das diesem Ort
seinen Wert zurückgeben könnte, damit nicht an die Nakba erinnert wird.
Während ich diesen
Bericht schreibe, geschieht etwas absolut Monströses in diesem Staat:
Die Knesset hat diese Woche
ein Gesetz in erster Lesung bestätigt, das jedeN
mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft, der/die an die Nakba erinnert. Die Nakba ist die
arabische Bezeichnung für die Katastrophe von 1948. Für die Zionisten
war die israelische Staatsgründung zwar ein sehr erfreuendes Ereignis,
aber für die Palästinenser sehr viel weniger. Eine Freundin in
Nazareth sagt mir: "Gut, dann sprechen wir nicht mehr von der Nakba. Sprechen wir von der Nukta!
("nukta", arabisch: Witz.)
Nun sollte man die Sache aber
nicht verniedlichen! Beni Begin, ein Likud-Minister,
ist gegen das Gesetz, weil es "nicht durchführbar" sei, das
heißt, (das sagt er zwar nicht, aber das ist es wahrscheinlich, was er
meint), es sei unmöglich, innert kürzester
Zeit Zigtausende oder vielleicht sogar
Hunderttausende ins Gefängnis zu schmeißen. Aber erstens hat das
Militär dies geschafft, zur Zeit der Ersten Intifada,
Ende 80er Jahre, aber auch wenn das stimmt, dass dies innerhalb der
"Grünen Granze" nicht so einfach ist,
ist die wirkliche Gefahr in diesem Gesetz, dass ab sofort Hunderttausende
gefährdet sind, ich natürlich auch. Die Regierung oder die Polizei
oder der Geheimdienst oder wer auch immer Lust dazu hat, kann, wann es ihm
gerade passt, einen Drittel oder mindestens einen Viertel der Bevölkerung
jederzeit plötzlich verleumden: "Ha! Er hat an die Nakba erinnert!" Und weg ist der Mensch. Auch wenn die
Nakba genauso wenig wie die Shoa
meine Religion ist (siehe unten), käme es mir im Traum nicht in den Sinn,
die Nakba zu verleugnen, genauso wenig die Shoa!
Nun eine erste Reaktion von Eitan Bronstein, der dem Verein
"Zochrot" vorsteht:
A Response to the
Proposal to Ban Commemoration of the Nakba on
Independence Day
The proposal to legally bar the
commemoration of the Nakba on
It is not surprising that the
"appropriate Zionist response," to inscribe the forgetting of this
human horror into law, comes from the circles of the political right-wing. They
have always been more sincere in their racist attitudes toward Arabs in
More than eighty years ago, it was clear
to Jabotinsky, the leader of the historic Right and
perhaps the most realistic Zionist thinker, that the establishment of the
Jewish state required citizens to be forever soldiers under the protection of
the "Iron Wall." Jabotinsky understood that
Jewish existence depended upon violent strength, on killing and being killed in
a predominantly Arab region that would never accept them. A year ago his
student, Tzipi Livni,
suggested that Palestinians remove the word ‘Nakba’
from their lexicon as part of a comprehensive peace deal. Our current Prime
Minister announced during his recent campaign that he would expunge the Nakba from educational curricula (since when has the Nakba been taught anyway?) and would order the teaching of Jabotinsky’s legacy.
The Greek philosopher Thrasymachus taught us that "the law is what is good for the
stronger," but no law, not even that of the democratic Jewish Knesset, can
erase the horrors of history. Traces of these horrors will always be visible,
in both personal and collective memory and forgetfulness. In
At the same time, remembrance of the Nakba is growing and takes root in the deepening fissures
in the Iron Wall. The Palestinian refugees – the majority of Palestinians are,
indeed, refugees – have mourned the Nakba from the
moment it occurred and demand justice. After the Oslo Accords, when they
realized their concerns would be pushed aside indefinitely, they began to
struggle effectively against the worldwide disregard for their tragedy.
However, the proposed law to forget the Nakba is in
actuality a response to cultural shifts in Jewish-Israeli society to coping
with this disaster. The real threat to the colonialist Iron Wall occurs as the
majority of its soldiers refuse to obey the commandment not to remember. In the
last few years, hundreds of Jews in
Who knows, maybe the day is not far off
when the choice at the center of the political debate will be the State of
Israel as it is today versus recognition of the Nakba
and the right of return of the Palestinian refugees. When this day comes, the
citizens of
Eitan Bronstein
Zochrot
Translation: Yuval Orr (and Talia Fried)
Tel Aviv,
May 2009
Bei dieser Gelegenheit will
ich ein bisschen ausholen und Ilan Pappé das Wort geben, er ist ja auch aus Tiv'on wie ich, und hier in Tiv'on
haben wir uns letzten Sommer getroffen, als er "zu Hause" zu Besuch
war, und wir sprachen über Zochrot und über
Eitan. Unter anderem sagte er, das Problem mit Eitan sei, dass er auf 1948 fixiert sei, und die Nakba geht ja immer noch weiter! Sie hat nie
aufgehört! (Im Gegensatz zur Schoa) In der
"Rückkehr nach Haifa" von Kanafani,
die wir 2007 auf die Bühne brachten
(http://www.mideastweb.org/nemashim/juli-2007.htm
und http://www.mideastweb.org/nemashim/amina-augustbericht.htm ), wird Chaldun
zu Dov, aber wenn auch heute noch Mohammad zu Dani
wird, wie bei uns im "Untermieter", dann ist die Nakba
noch nicht zu Ende.
Ich habe schon vor Jahren
einen Artikel über die fortschreitende Verdrängung und schleichende
Deportation der Palästinenser geschrieben, hier:
http://abumidian.wordpress.com/deutsch/deportartion
Wer Ilan
Pappé nicht kennt, hier ein Interview mit ihm:
Im Zug mit Ilan Pappé
http://www.woz.ch/artikel/rss/15713.html
Ilan spricht in diesem Interview vom Vergleich
zwischen der Leugnung der Nakba mit der Leugnung des
Holocaust. Deshalb erlaube ich mir, auf dieses da zu verweisen:
Wenn
Nakba-Leugnung strafbar wäre
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=11940
Eigentlich deutet die Kritik
von Sobol und Leute seiner Sorte an den "Sieben jüdischen
Kindern" auf die selbe Richtung wie das neue Nakbagesetz:
Wie wagt ihr es, von der Nakba zu sprechen!!
Ja, ich schweifte hier ein
wenig ab vom direkten Bericht über unsere kleine neue Gruppe, aber es ist
wichtig zu verstehen, in welchem Umfeld wir arbeiten und wie ungemein
schwierig, fast hoffnungslos, es ist, hier gegen Faschismus und Rassismus mit
humanistischen Mitteln anzukämpfen.
Aber wir machen weiter, und
wir werden auch drüber berichten.
Bis dann, alles Gute!
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